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Der gläserne Mensch: Nicht nur Bedrohung, sondern auch Chance

von Lars Dombrowski – 04. March 2013

 

Das Netz vergisst nicht. Das Netz weiß mehr über uns als wir vermuten. Soweit nichts Neues. Facebook, Twitter, Google etc. werden von Millionen Nutzern täglich mit Milliarden von Informationen gefüttert, auch in Deutschland. Und doch wird in kaum einem Land mehr und emotionaler über den Schutz der Privatsphäre und die Gefahr von Öffentlichkeit diskutiert.

Entgegen der hiesigen Debatten von besorgten Bürgern,  Verbraucher- und Datenschützern hält Jeff Jarvis – Journalist, Blogger, Dozent und Moderator – in seinem aktuellen Buch „Mehr Transparenz wagen – Wie Facebook, Twitter & Co. die Welt erneuern“ ein glühendes Plädoyer für mehr Öffentlichkeit. Beruhend u. a. auf Interviews mit Mark Zuckerberg (Facebook), Eric Schmidt (Google) und Evan Williams (Twitter) zeichnet er die „Vision einer öffentlichen, transparenten, vernetzten Welt, in der alle mit allen zusammenarbeiten“.

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Ausgehend von einer gründlichen Analyse der Begriffe „Privatsphäre“ und „Öffentlichkeit“ im historischen, politisch-rechtlichen und moralisch-ethischen Kontext definiert Jarvis das Internet und die Netzgemeinde als eine Art Parallelgesellschaft, die Regierungen und geographische Grenzen hinter sich gelassen hat und so ihre eigenen Regeln und Umgangsformen hervorbringt.  Er spricht  sich dabei keineswegs gegen jede Art von Regulierung oder Beschränkung aus, doch fordert er diese für die Verwendung von Daten und nicht für deren Erfassung, Verbreitung oder Freigabe.

Er beschreibt die Chancen und Möglichkeiten, die sich durch mehr Öffentlichkeit und Transparenz bieten, anhand von bereits erfolgreichen Fallbeispielen und – wenn auch manchmal kühnen, so doch realistischen – Ausblicken. Die Umwälzung im Einzelhandel hat schon lange begonnen, die klassische Medienlandschaft ist zum Umdenken gezwungen, Regierungen müssen sich seit der Arabischen Revolutionen und Wikileaks-Enthüllungen den neuen Herausforderungen stellen. Und auch für Unternehmen birgt der Schritt von der bis dato praktizierten Betriebsgeheimniskrämerei zur totalen Öffnung ein enormes Potenzial. Jarvis‘ Fazit: Öffentlichkeit und Beziehungen sind das Kapital der Zukunft, Geheimnisse kann sich niemand mehr leisten.

Obwohl ein Sachbuch, lässt sich „Mehr Transparenz wagen“ leicht und flüssig lesen. Es wird zu keinem Zeitpunkt langweilig und lädt nicht zuletzt wegen der zahlreichen Zitate und Querverweise dazu ein, sich noch tiefer mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Jeff Jarvis, geboren 1954, arbeitete zunächst als Journalist. Nach 9/11 begann er zu bloggen, bis heute ist buzzmachine.com eine beliebte Seite im Internet. Jarvis hat eine Professur an der Journalistenschule der City University of New York inne, moderiert TV-Sendungen und schreibt für zahlreiche Zeitungen, darunter Chicago Tribune und The Guardian. Auf dem World Economic Forum in Davos 2008 wurde er zu einer der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Medienwelt gewählt. Sein letztes Buch „Was würde Google tun?“ (2009) war ein weltweiter Bestseller.

Jeff Jarvis, Mehr Transparenz wagen (2012), Quadriga, 320 S.
ISBN-10: 3869950412, ISBN-13: 978-3869950419