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Kulturelle Sensibilität als Erfolgsfaktor bei Twitter

von Katharina Balkmann – 18. April 2016

 

Die Globalisierung der Weltwirtschaft wird vor allem durch das Internet getrieben, es ermöglicht Kommunikation über Raum und Zeit hinweg. International agierende Unternehmen haben die Aufgabe, weltweit ein konsistentes Image aufzubauen und die Beziehungen des Unternehmens zu Stakeholdern in allen wesentlichen Zielmärkten zu stärken. Doch die Bezugsgruppen haben sich gewandelt: Wo einst homogen-nationale Gruppen die Kommunikationsarena füllten, sehen sich Unternehmen im digitalen Zeitalter einer heterogen-globalen Vielfalt gegenüber. Das gilt nicht nur für die Staatsangehörigkeit, sondern auch für die kulturelle Prägung, die für Kommunikation von besonderer Bedeutung ist.

Der Grund dafür liegt nahe: Kommunikation ist kulturgebunden. Wir alle kennen Beispiele in der zwischenmenschlichen Kommunikation, bei denen je nach Landeskultur Gesten und Worte unterschiedlich gedeutet werden. Während in Deutschland eine Zurechtweisung durch den Vorgesetzten vor Kollegen als unangenehm, aber hinnehmbar, empfunden wird, ist in China mit diesem Verhalten eine starke Kränkung verbunden – der Verlust des Gesichts. Doch wodurch wird diese unterschiedliche Interpretation hervorgerufen? Die in allen Individuen einer Kultur verankerten Werte sind hierfür verantwortlich, denn sie prägen das Denken, Wahrnehmen und letztlich auch das Handeln. In diesem Sinne entscheidet die kulturelle Prägung auch maßgeblich darüber, wie Menschen kommunizieren.

 

Was für die interpersonale Kommunikation über Kulturen hinweg gilt, ist auch für die internationale Unternehmenskommunikation plausibel: Da Menschen mit einer bestimmten kulturellen Prägung für die Wirtschaftskommunikation international agierender Firmen verantwortlich sind, ist anzunehmen, dass diese Kulturspezifika auch in ihre Arbeit und somit in die Kommunikationsmaßnahmen einfließen. 7.506 Tweets von 28 Unternehmen aus zehn Ländern (Australien, Brasilien, Deutschland, England, Frankreich, Hong-Kong, Japan, Singapur, Südafrika, USA) wurden in einer Pilotstudie untersucht, um dieser These auf den Grund zu gehen. Operationalisiert wurde Kultur dafür mittels der fünf Kulturdimensionen Geert Hofstedes (siehe unten).

Das Ergebnis: In vier von fünf Kulturdimensionen wiesen die untersuchten Tweets die Prägung der Heimatkultur ihres Absenders auf. Lediglich für die Dimension Machtdistanz konnte kein Beleg gefunden werden. Für die Dimension Individualismus versus Kollektivismus sowie Unsicherheitsvermeidung zeigen die nachfolgenden Beispiele die Unterschiede in Form und Inhalte der Tweets.

 

Individualismus versus Kollektivismus

In Tweets aus individualistischen Kulturen wie Amerika oder Australien spiegelt sich deutlich wider, dass das Selbstverständnis einer Person durch die eigene Identität und nicht durch äußere Einflüsse bestimmt wird – Individuen stehen klar im Fokus.

  • Your #Walmart is a remarkable company, and it`s because of every one of you. – Holley#WMTshares (Walt-Mart Stores)

  • Noble Laureate Dr. Heinrich Rohrer, IBM Fellow who opened the door to nanotechnology, dies at 79. (IBM)

  • Spark and ambition helped Wattrix Electrical founder, Adam Farrugia, wire his #business for success. (Commonwealth Bank)

  • Multiple job vacancies for talented individuals across Westpac in the ACT. (Westpac Banking)

  • From Navy pilot to GE financial analyst, watch the in-spiring story of Melissa Fay […](General Electric)

  • Passion inspires a Sydney-based cookie lover to become an #entrepreneur […] (Commonwealth Bank)

 

Demgegenüber scheint in Tweets aus kollektivistischen Kulturen wie Singapur oder Brasilien die soziale Gruppe zentraler Dreh- und Angelpunkt zu sein – Themen wie Familie, Nachbarschaft oder andere zwischenmenschliche Beziehungen stehen im Vordergrund. Und das nicht nur auf privater Ebene. Auch im Unternehmenskontext soll wirtschaftlicher Erfolg nicht von Alleingängen, sondern vielmehr von Allianzen und Partnerschaften abhängen.

  • TGIF all! Today is “Eat With Your Family Day”. Enjoy your time with your family! (Singapore communications)
  • Nominations for this year’s Good Neighbour Award are now open! Win up to $500 in vouchers and a trophy. (Singapore Press)
  • Vale invests in the sharing of knowledge trough activities such as ist Exchange Program with Mitusi. (Vale)

 

Unsicherheitsvermeidung

Tweets aus stark unsicherheitsvermeidenden Kulturen wie Frankreich oder Brasilien lassen Rückschlüsse auf die empfundene Unsicherheit des Lebens zu, die es zu vermeiden gilt. Etablierte Strukturen sollen dafür sorgen, dass dem Verlangen nach Klarheit und dem Einsatz von technisch-automatisierten Lösungen genüge getan wird und alles „nach Plan verläuft“.

  • We`ve installed 400 sensors at various points throughout Porto de Tubarão to follow our operations even more closely! (Vale)
  • Are you safe from the many things that could go wrong when designing and #manufacturing a product? (Schneider Electric)

 

Dagegen ist in den Tweets aus den USA und England als schwach unsicherheitsvermeidende Kulturen kaum eine Spur von Unsicherheit oder gar Angst zu erkennen. Innovationen sind willkommen und der Drang nach Lösungen, die die Welt revolutionieren sollen, ist groß.

  • The only thing separating you from #science should be a pair of protective goggles.(General Electric)
  • From science fiction to science fact, the #driverless #car has come a long way. (General Electric)
  • Highlights of IBM’s ~67,000 patents over last 2 decades [infographic] (IBM)
  • Could future medicines be based on electrical impulses? We think so, and we`re going to find out how #bioelectronics (GSK)
  • Finding the unexpected: how research into cardiovascular disease uncovered a genetic switch in a rare cancer. (GSK)

 

Die Ergebnisse dieser Pilotstudie sind zweifellos eine Momentaufnahme. Vor dem Hintergrund, dass kommunikations-technologische Entwicklungen wie das Internet eine globale Kommunikationsgesellschaft entstehen lassen, ist es erstaunlich, wie groß die kulturellen Unterschiede in den Tweets der international agierenden Unternehmen (noch) sind.

 

Internationale Unternehmenskommunikation revisited

Das Publikum internationaler Unternehmenskommunikation ist derzeit heterogener denn je, internationale Unternehmen haben sie jedoch noch nicht auf diese veränderten Gegebenheiten ausgerichtet. Tweets, die sie auf ihren Corporate Twitter-Kanälen an ein globales Zielpublikum richten, spiegeln noch immer die kulturellen Prägungen der Absender wider – das kann auf lange Sicht zu Akzeptanzproblemen bei den verschiedenen Kulturen führen.

Um ihre Unternehmenskommunikation auf Twitter zu optimieren, stehen international agierenden Unternehmenunterschiedliche Wege offen:

  • Die Investition in länderspezifische Twitter-Kanäle. Auf diese Weise können kulturelle  Prägungen herausgestellt werden, ohne Diskrepanzen mit Bezugsgruppen aus anderen Ländern hervorzurufen.
  • Ein globaler Corporate Twitter-Kanal ist ein Muss, wobei hier das Erfolgsrezept in der Zusammenstellung der Tweets liegt.
  • In den Kommunikationsabteilungen internationaler Unternehmen bedarf es zusätzlich einer Sensibilisierung dafür, dass Tweets nicht nur auf der inhaltlichen, sondern auch auf der kulturellen Ebene wirken.
  • In der Planungsphase des Twitterauftritts sollten kulturelle Aspekte bereits mitgedacht werden, um möglichst das gesamte Spektrum kultureller Unterschiede abzudecken.

Aus diesem Grunde empfiehlt sich die Kombination von lokalen und globalen Kanälen: Länderspezifische Twitter-Kanäle ermöglichen die kulturspezifische Ansprache, der globale Twitter-Kanal spielt breitere Themen und bedient  diverse Kulturen. Kulturelle Sensibilität kann so auf Twitter zum Erfolgsfaktor werden.

 

Die untersuchten Unternehmen in der Twitter-Studie

 

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USA

Wal-Mart Stores Inc.: 300 Tweets
General Electric Co.: 297 Tweets
IBM Corp.: 300 Tweets

Brasilien

Vale SA: 177 Tweets
Embraer SA: 300 Tweets

England

Vodafone Group PLC: 152 Tweets
BP PLC: 300 Tweets
GlaxoSmithKline PLC: 300 Tweets
BG Group PLC: 296 Tweets

Frankreich

Total SA: 294 Tweets
L'Oreal SA: 140 Tweets
Schneider Electric SA: 300 Tweets
Air Liquide SA: 300 Tweets

Deutschland

Siemens AG: 300 Tweets
BASF SE: 300 Tweets
BMW AG: 300 Tweets

Südafrika

Standard Bank Group: 300 Tweets
Absa Group Ltd.: 300 Tweets
Sanlam Ltd.: 300 Tweets
The Bidvest Group Ltd.: 39 Tweets

Japan

Nissan Motor Co. Ltd.: 300 Tweets

Hong-Kong

Hong Kong Exchanges and Clearing Ltd.: 261 Tweets

Singapur

Singapore Telecommunications Ltd.: 300 Tweets
Singapore Press Holdings Ltd.: 150 Tweets
Starhub Ltd.: 300 Tweets

Australien

Commonwealth Bank of Australia: 300 Tweets
Westpac Banking Corp.: 300 Tweets
National Australia Bank Ltd.: 300 Tweets

 

 

Die fünf Kulturdimensionen Geert Hofstedes:

  1. Machtdistanz beschreibt die Ungleichverteilung von Macht und deren Akzeptanz aus der Perspektive der weniger Mächtigen in einer Gesellschaft.
  2. Individualismus versus Kollektivismus beschreibt das grundlegende Verhältnis zwischen Individuen und Gruppen in Gesellschaften.
  3. Unsicherheitsvermeidung beschreibt den Umgang einer Gesellschaft mit nicht eindeutigen oder unvorhersehbaren Situationen.
  4. Maskulinität versus Femininität beschreibt den Grad, in dem in einer Gesellschaft die mit bestimmten Werteorientierungen besetzten Geschlechterrollen getrennt oder integriert vorherrschen.
  5. Langzeitorientierung beschreibt das Ausmaß, in dem in einer Gesellschaft Ausdauer und Beharrlichkeit als wesentliche Merkmale eines Menschen gelten.

 

Über die Studie
In einer kulturvergleichenden Studie untersuchten Katharina Balkmann (Juniorberaterin bei JP | KOM) und Prof. Dr. Christoph Moss (Professor für Journalistik und Medienmanagement an der BiTS Iserlohn) 7.506 Tweets 28 international  agierender Unternehmen hinsichtlich der kulturellen Prägung ihres Absenderlandes. Erschienen ist die Studie 2015 im „Handbuch Sprache in der Wirtschaft“ (De Gruyter Verlag).

 

Bildquelle: Ellica/Shutterstock.com