Viel Information, noch wenig Kollaboration: Kommunikation schöpft digitales Potenzial nicht aus
Die Best Practice-Untersuchung von JP | KOM umfasst zwölf Unternehmen. Die wesentlichen Fragestellungen:
- Welche Kanäle und Formate nutzen die Unternehmen für die Industrie 4.0-Kommunikation?
- Welche Besonderheiten weisen diese Medien auf?
- Wo werden welche Themen gespielt?
Die untersuchten Unternehmen:
12 Unternehmen insgesamt
3 Maschinenbauer
2 Hersteller von Robotik-Lösungen
1 Hersteller von Sensorik-Lösungen
4 Technologieunternehmen/Softwareanbieter/Automation
2 Logistik-Unternehmen/-Zulieferer
Website als Drehscheibe. Auch in der Industrie 4.0-Kommunikation dienen Websites als Drehscheibe aller Kommunikationsaktivitäten. Siemens, Bosch Rexroth und KUKA widmen dem Thema eigene Microsites, die anderen Unternehmen haben größere Bereiche auf der Unternehmensseite: Das Thema Industrie 4.0 findet sich dann meist in einer Unterrubrik, z. B. unter „Trends“, „Innovation“ oder „Fokusthemen“. Bei Voith gelangt man direkt vom Header der Homepage auf die Digitalisierungs-Themen.
Attraktive Infografiken und Bewegtbild. Auf den Websiten setzen die Unternehmen bereits heute eine Vielzahl von Formaten ein, besonders häufig Bewegtbild, Infografiken, Studien, Webinare sowie News und Blogs. Bewegtbild gehört in Produktion, Maschinenbau und Logistik wegen der hohen Anschaulichkeit seit jeher zu den bevorzugten Formaten. Im Kontext Industrie 4.0 finden sich insbesondere Messeberichte (mit Statements sowie Bildern vom Stand), Vorträge der eigenen Experten sowie typischerweise auch animierte Erklärvideos. Teilweise sind diese Videos auf der eigenen Website eingebaut, große Unternehmen wie Siemens stellen sie auf eigenen Youtube-Channels ein.
Digitalisierung ohne Worte: Infografiken als Headerbild...
... und als Infografik bei Voith.
Best Practice Bewegtbild
Ein gutes Beispiel für ein Erklärvideo zu Industrie 4.0 findet sich bei Bosch Rexroth. Auf der Longscrolling-Microsite „Connected Automation“ erklärt die Animation anschaulich und schlüssig, wie Produktionsprozesse im Unternehmen künftig ablaufen:
Vernetzung und Dialog noch größtenteils Fehlanzeige. Interaktive Elemente und Social Media setzen auch die führenden Unternehmen der Branche zum Thema Industrie 4.0 bisher noch selten ein. Im Vordergrund steht die Informationen, die Pfade zu Vernetzung und Kollaboration sind kaum erkennbar. Microsoft, GE und Bosch Rexroth bieten Blogs, Newsflow und Interaktion sind hier jedoch immer noch spärlich. Die KION Group und Voith bespielen ihre SoMe-Kanäle mit dem Thema Industrie 4.0.
Best Practice Social Media
Unter dem Hashtag #Schichtwechsel hat eine Microsoft Social Media-Kampagne über die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine gestartet. Die Microsite stellt einen Newsroom bereit, aktuell zum Thema „Die Beziehung zwischen Mensch und Roboter“: Roboter in der Arbeitswelt, Roboter in der zwischenmenschlichen Beziehung, Roboter im Haushalt. Microsoft möchte damit die Akzeptanz für die Technologie verbessern. Die Kampagne #Schichtwechsel bindet Twitter und Facebook ein. Ein Selbst-Test mit Multiple-Choice Antworten fordert den Leser auf, sich mit der Mensch-Roboter-Beziehung auseinanderzusetzen.
Plattform für Business noch in den Kinderschuhen. Nur im Ausnahmefall ist die Kommunikation bisher bis in den digitalen Geschäftsprozess verlängert. Relativ weit ist hier Bosch Rexroth: Der User – der potenzielle Kunde – kann hier eine Anlage konfigurieren, also die Maschinen und Systemen zusammenstellen. Eine Simulation wird noch nicht ermöglicht. Auf die Konfigurations- und eCommerce-Lösung gelangt der User von der Startseite. Ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen diesem Modul und den Kommunikationsaktivitäten ist von außen nicht erkennbar.
Corporate Publishing wenig digital. Traditionelle Medien der Corporate- und Marketing-Kommunikation werden auch beim digitalen Thema Industrie 4.0 noch stark genutzt. In Kundenmagazinen (print und online) ist die Digitalisierung Dauerthema. Über die Websites lassen sich Flyer, Broschüren und Standardpräsentationen herunterladen, oft zu sehr generischen Themen wie „Industrie der Zukunft“.
Non-owned: Pressearbeit statt digitaler Kommunikation. In digitalen non-owned Medien, z. B. unabhängigen Blogs, sind die Unternehmen mit dem Thema bisher kaum unterwegs. Sie setzen auf Pressearbeit: Expertenstatements, Exclusives und Interviews in der Fach- und Wirtschaftspresse. Schlüssel zur Platzierung sind dabei offensichtlich Infografiken oder Messeauftritte mit Fokus auf digitale Lösungen. GE und ABB setzen zusätzlich auf Advertorials und Banner in einschlägigen Medien. Das Industrie 4.0 Medienportfolio der Unternehmen ist noch ausbaubar: Alle haben angefangen – aber bisher hat eigentlich nur GE integrierte digitale Industrie 4.0 Kommunikation realisiert.
Best Practice GE
Das I4.0 Medienportfolio von GE im Content Management-Modell (nach Mirko Lange).
Alle Informationen zum Thema I4.0 sind sind auf der internationalen Website von GE gebündelt: Über die Rubrik „Industries“ auf der Startseite gelangt der User zu „GE Digital“, hier erscheint in der Navigation „IIOT Insights“ (Industrial Internet of Things) mit einer Sammlung an Themen rund um die Digitalisierung in der Industrie. Die „Industrial Internet Insights“ stellen auf Longscrolling-Seiten das Expertenwissen des Unternehmens in den Vordergrund, dabei werden die Lösungen von GE in einen größeren Kontext gesetzt. In Drop-Down-Menüs findet der Leser tiefergehende Definitionen, Erklärungen und Fokusthemen.
Das Layout ist dezent/minimalistisch, mit viel Weißraum und wenig Text. Wichtige Zahlen sind optisch hervorgehoben.
GE bietet außerdem Downloads von Broschüren sowie per Link einen Imagefilm. Der User sieht die Headlines der letzten Blogeinträge zur Digitalisierung und neueste Pressemitteilungen.
Alles auf einen Blick: Hervorhebungen und Download-Buttons stellen alle Informationen bereit.
Themen werden angeteasert, tiefergehende Informationen erlangt der Leser kurzerhand er Mausklick.
Über die Owned Media hinaus hat GE eine Medienkooperation mit dem Handlsblatt. In einem Advertorial Digital vernetzt auf handelsblatt.com platziert GE laufend Beiträge zum Thema Industrie 4.0. Hochwertige Fotos, Infografiken und kurze Filme lockern das Thema auf und präsentieren es anschaulich. Von hier wird rückverlinkt auf das eigene Kundenmagazin, zu Dossiers und Blogbeiträgen.
Advertorial zum Thema Industrie 4.0 von GE im Handelsblatt.
Die Themen: Noch sehr generisch, wenig Leistung
Auf den Websites viel Grundsätzliches. Auf ihren Websites fokussieren sich die Unternehmen überwiegend auf zwei Themen: generischen Erklärungen nach dem Motto „Was ist eigentlich Industrie 4.0?“ und der Darstellung ihrer eigenen Kompetenzen und Lösungsansätze. Beides bleibt eher grundsätzlich, oft wirkt das ein wenig abstrakt und belehrend. Greifbare, glaubwürdige Kompetenz wird so kaum vermittelt.
Microsites mit Zukunftsthemen. Vor allem General Electrics (GE) in der Unterrubrik Industrial Internet Insights und Siemens auf der Microsite „Die Zukunft der Industrie“ wollen sich mit Ideen, zum Beispiel mit Scrollytelling positionieren. Aber eine Diskussion kommt so nicht in Gang.
Darstellung des Angebots. Drei Unternehmen (Sick, Trumpf und KUKA) stellen konkrete Leistungen und/oder Produkte/Services vor. Bei Voith gibt es sogar eine eigene Unterrubrik, die sich auf Industrie 4.0-Lösungen des Unternehmens konzentriert.
Best Practice Website
Voith stellt auf seiner Website seinen neuen Geschäftsbereich „Digital Solutions“ vor, der Konzepte für Automation und IT im Anlagen- und Maschinenbau anbietet – „zugeschnitten auf die Herausforderungen der digitalen Transformation“.
Auffällig ist die übersichtliche Portfoliodarstellung in moderner Kacheloptik im Bereich „Anwendungen“. Anwendungsbeispiele zeigen im Detail wie digitale Lösungen schon jetzt in Anlagen von Voith eingebunden sind – so zum Beispiel Automatikantriebe für Busse. Mithilfe einer interaktiven Anwendung bekommen Kunden mittels Präsentationen, Videos und animierten Filmen einen Einblick in die Services – zugegeben: noch nicht ganz I4.0, aber immerhin Industrie 3.5.
Microsites mit Zukunftsthemen. Vor allem General Electrics (GE) in der Unterrubrik Industrial Internet Insights und Siemens auf der Microsite „Die Zukunft der Industrie“ wollen sich mit Ideen, zum Beispiel mit Scrollytelling positionieren. Aber eine Diskussion kommt so nicht in Gang.
Bewegtbild macht Lösungen anschaulich.Während Erklärvideos überwiegend generische Informationen zu Industrie 4.0 bieten (ABB und GE), bieten andere Videoformate die Möglichkeit, eigene Lösungen vorzustellen (Trumpf und Festo). Die KION Group präsentiert in seinen Videos sogar konkrete Cases, die den Kundennutzen in den Vordergrund stellen; dabei unterstützen Interviews und Statements. KUKA verwendet ein Imagevideo mit Markenbotschafter Timo Boll, um so die Vision einer digitalen Zukunft und die Leistungfähigkeit der neuen Technologien deutlich zu machen.
Die eigene Kompetenz und ihr Expertenwissen stellen die Unternehmen über Veröffentlichungen in der Presse und in ihren eigenen Printmedien dar. Die Broschüren und auch die PPTs folgen dem Muster klassischer Portfolio-Präsentationen, mit einer längeren Einführung in das Themenfeld Industrie 4.0. Den Standard setzt hier Siemens. Drei Unternehmen positionieren sich über Blogs, mit einer größeren Themenvielfalt. Innovationen und neue Produkte finden hier mehr Platz als in anderen Medien, so zum Beispiel bei GE und Microsoft.
Best Practice Microsite
Scrollytelling bei Siemens macht Industrie 4.0 lebendig: Siemens stellt das Thema Industrie 4.0 auf einer langen, multimedial aufbereiteten Seite vor. Je weiter der Leser nach unten scrollt, desto tiefer dringt er in das Thema vor, mit Inhalten wie „Auswirkungen und Herausforderungen der Digitalisierung“ für den Markt, die Gesellschaft und an die Produkte. Siemens vermittelt Hintergrundwissen und präsentiert darauf zugeschnittene Lösungen:
Fazit: das Medienportfolio steht, die digitale Vernetzung muss folgen
Homepage oder Microsite, Pressearbeit, Corporate Publishing und Bewegtbild: Maschinenbauer, Technologieanbieter und Hersteller von Logistiksystemen haben ihr Medienportfolio für Industrie 4.0 aufgestellt. Doch es gibt bisher kaum Dialogformate sowie Plattformen für den Austausch mit Kunden und möglichen Kooperationspartnern. Thematisch geht es bisher vor allem um Wissen, Information und die Stärkung der eigenen Reputation.
So können die neuen Industrie 4.0 Geschäftsmodelle, die auf Vernetzung und Kollaboration abzielen, kaum bewegt werden. Von dem Ziel, dass Kommunikation in Industrie 4.0 stärker in die Wertschöpfungsprozess eingelassen ist und sie unterstützt, sind auch die branchenführenden Unternehmen noch ein gutes Stück entfernt. Bei der Ausrichtung ihrer Kommunikation auf diese Herausforderungen empfiehlt es sich, schrittweise vorzugehen, in drei Stufen:
- Must have. Die Basis für Industrie 4.0-Kommunikation wird gelegt, das Unternehmen hisst die Flagge und baut Reputation auf – hier dreht sich alles um die Website. Vodcasts und Infografiken sind typische Formate, Advertorials vermitteln die Botschaft in meinungsbildenden Medien und der Fachpresse.
- Nice to have. Die Kommunikation wird ausgebaut mit einem erweiterten Owned-Medienportfolio. Ausgefeilte Bewegtbildformate zeigen die Kompetenz, mit Proof der eigenen Leistungen.
- One step ahead. Wenn der Absender kompetent positioniert ist, beginnt der Dialog – zu Beginn als Austausch, dann zunehmend in Richtung Kollaboration.
Eine Übersicht über die Ergebnisse des Benchmarkings finden Sie in unserem News-Service (PDF).