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Guidance der Investor Relations: Aus Zahlen wird Bedeutung

von Alexander Böhm – 15. August 2013

 

Und die Zukunft vorauszusehen, das ist das eigentliche Ziel von Investoren.Die Welt der Investor Relations war so schön klar strukturiert, als man sich auf seine Zahlen noch verlassen konnte. 

Investor Relations Manager sind dieser Logik lange gefolgt, lieferten in Zahlen konkretisierte Prognosen zur Unternehmensentwicklung. Doch in einem zunehmend volatilen Marktumfeld verfehlen die Unternehmen ihre Guidance immer häufiger. Steigende Anforderungen an die Prognosen – in Deutschland durch DRS 20 und die Forderung, längerfristige Prognosen abzugeben – setzen Unternehmen zusätzlich unter Druck.

Oder überfordern sie sie? Eine Befragung unter 165 europäischen IR-Managern zeigt, dass es eine Abkehr vom Zahlenmeer gibt. Stattdessen steht die mittelfristige Strategie mehr und mehr im Fokus. Gleichzeitig sprechen sich die Unternehmensvertreter für einfachere Guidance mit weniger Kennzahlen aus.

Damit enttäuschen die Unternehmen den Kapitalmarkt scheinbar nicht. Befragt nach den Themen, zu denen Investment Professionals zunehmend IR-Abteilungen befragen, gaben 56 Prozent der IR-Manager „Strategie“ an. Im Trend sind zudem Fragen zu Aspekten, die das Unternehmen selbst nicht oder nur eingeschränkt kontrollieren kann, etwa zum regulatorischen, makroökonomischen und Wettbewerbsumfeld sowie zu Risiken.

Die Ergebnisse der Untersuchung unterstreichen damit einen unabweisbaren Trend: Der Kontext, in dem ein Unternehmen steht, wird im Verhältnis zu betrieblichen Leistungsdaten immer wichtiger. Aber im Gegensatz zu unternehmerischen Kennzahlen sind Kontextinformationen mehrdeutig. Während Zahlen absolute Wahrheit suggerieren, öffnen Kontextinformationen der Interpretation Tür und Tor.

Wie kann Investor Relations darauf reagieren? Das Media-Richness-Theorem von Daft/Lengel bietet hier eine Lösung an. Es besagt, dass vieldeutige, unzuverlässig zu übertragende und vielschichtig zu vermittelnde Sachverhalte  „reiche“ Medien benötigen. Media Richness bezeichnet die Reichhaltigkeit eines Mediums in Bezug auf die Möglichkeit für unmittelbares Feedback, die Vielfalt genutzter medialer Formen (z.B. Tonalität, Gestik, Mimik), die Möglichkeit zur Personalisierung und die sprachliche Varietät.

Schriftliche Dokumente etwa haben eine geringe Media Richness und eignen sich bestenfalls für die Vermittlung von Sachinformationen, z. B. Informationen zum Portfolio oder Kennzahlen. Getwitterte Info-Grafiken, Podcasts, interaktive Video Earnings Calls oder Events hingegen haben eine hohe Media Richness. Sie eignen sich für mehrdeutige Interpretationsaufgaben, über die sich die Beteiligten auf ein gemeinsames Verständnis der Situation einigen sollen und die zur Bindung an oder das Commitment für das Unternehmen führen. Zu solchen Interpretationsaufgaben zählen z. B. der Einfluss von Marktverschiebungen oder verschiedenen makroökonomischen Daten auf die eigene Geschäftsentwicklung.

Das Anforderungsprofil für Investor Relations wird sich verschieben: Aus Übermittlern der betrieblichen Leistungsdaten werden Erklärer der unternehmerischen Gesamtsituation. Nicht ihre finanzmathematische Analysefähigkeit wird in Zukunft gefragt sein, sondern ihre Kompetenz, das unternehmerische Narrativ im Markt zu verankern.