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Teil 2: Digitalisierung der gesamten Supply Chain in Agenturen und Kommunikationsabteilungen

von Jörg Pfannenberg – 27. April 2017

 

Fangen wir mit der Analyse an: Bisher wurden Stakeholder-Analysen zwar auf der Grundlage von Daten – heutzutage aus dem Web –, aber letztendlich doch händisch vorbereitet: Das gilt für Inhaltsanalysen und auch für Netzwerkanalysen und Modellbildungen – bei uns in der Agentur zum Beispiel mit dem Arena-Modell von Renn. Doch können Crawler das Web wesentlich umfassender nach solchen Stakeholder- und Themen-Beziehungen absuchen, und Algorithmen können die gefundenen Daten dann schnell und anschaulich in Netzwerkgrafiken aufbereiten, zum Beispiel können sie die Beziehungs- und Beeinflussungsverhältnisse zu einem Thema in beruflichen Key Opinion Leader-/Influencer-Netzwerken mappen und analysieren. Netzwerkanalysen zum Beispiel von Linkfluence sind wesentlich leistungsfähiger und schneller und gleichzeitig viel genauer, als das händische Inhaltsanalysen leisten können. Das heißt natürlich nicht, dass der Mensch überflüssig wird: Seine Rolle besteht darin, dass er den Algorithmus entwickelt, steuert und auf die Themen-und Stakeholder-Konstellationen ausrichtet. Und schließlich bietet das Datenmaterial Interpretationsspielräume, die entsprechenden strategischen Handlungsempfehlungen müssen auf Modellen beruhen.

Im Publishing sind digitale Prozesse bereits weit fortgeschritten…

Hier geht die Entwicklung weiter: vom Schreiben und Layouten in Redaktionssystemen hin zu integrierten Publishing Systemen wie Woodwing, die nach dem Prinzip Single Source/Multiple Media arbeiten. Hier werden alle Prozesse über eine Software integriert. Text, Bilder und Grafiken werden in einem neutralen Format angelegt, dann werden die Inhalte in die verschiedenen Formate ausgespielt: durchaus auch nach wie vor in Print, in das Intranet, in diverse Social Media und so weiter. Und natürlich auch in die Pressearbeit, über eigene Verteiler sowie über Aggregatoren und Versanddienste.

Ist das individuell genug? Und ist das tatsächlich zielführend, Inhalte mit der Schrotflinte zu distribuieren, vor allem in die journalistischen Medien?

Die traditionellen journalistischen Medien, wie wir sie kannten, werden bald der Vergangenheit angehören. Die klassischen Redaktionen, wo ein Journalist umfänglich recherchiert und sein Stück schreibt zu seinem Themenbereich, gibt es immer seltener. Das kann man beobachten an den ständigen Kündigungswellen im Spiegel-Verlag und in anderen Häusern. Wenn man sich Spiegel Online anguckt, dann stellt man fest, dass da Redakteure ohne Namen immer stärker bestehendes Agenturmaterial verwursten und neu konfigurieren. Die weiterführenden Links werden einfach hinzugefügt über die Tags, die in dem Redaktionssystem offensichtlich hinterlegt sind. Das alles passiert letztendlich nach Schema F. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es den Journalisten, der sich persönlich einem Thema widmet oder investigativ recherchiert, nicht mehr.

Wie verändert sich das Verhältnis zwischen Print und Online?

Die Printausgabe von Spiegel entsteht heute weitgehend aus der Kumulation der zuvor für Spiegel online zusammengeschriebenen Stücke. Ausnahme ist natürlich die Titelstory, die nach wie vor für die Print-Ausgabe erstellt wird. Die wird danach über die diversen Online-Formate aufgespalten, weiterverwurstet und ergänzt. Bei der Süddeutschen haben wir uns jahrelang gewundert: Warum kann ich da überhaupt mit niemandem mehr sprechen? Bis uns schließlich jemand gesagt hat, es gibt nur einen Weg, unsere Redakteure zu erreichen: Sie müssen über einen Aggregator gehen, also Geld einwerfen. Da gibt es für viele Themen gar keinen Redakteur mehr. Ein anderes Beispiel sind Fachkongresse, wo früher 10 bis 20 Journalisten anwesend waren. Jetzt sind da meist noch ein Regionaljournalist und ein bis zwei Fachjournalisten.

Wie kommen Unternehmen noch ins Blatt? Wie bewahren sie die Kontrolle über ihre Botschaften?

Heute kommt es darauf an, dass einen standardisierten Inhalt machtvoll auszuspielen, so dass er in den Redaktionen auf einem der Wege wahrgenommen werden kann und auch in den Resonanzräumen der sozialen Medien Widerhall findet. Das heißt aber auch: Inhalte werden immer weniger wichtig, die Distributionswege entscheiden das Spiel. Die Veröffentlichungen und die Resonanz in den sozialen Medien können weitgehend automatisiert eingesammelt und ausgewertet werden. Aus diesen Analysen ziehe ich dann für die Distribution meine Schlüsse.

Sind Algorithmen die Zukunft des Kommunikationsmanagements?

In den Verlagen gibt es bereits Experimente mit Natural-Language-Generation-Programmen. Das sind selbstlernende Programme, hinter denen Bot-ähnliche Strukturen stehen. Natural-Language-Generation-Programme sind inzwischen in der Lage, im Dialog eine gewisse Varianz auf Standard-Muster zu reduzieren. Eingebaute Lernprogramme, also regelbasierte künstliche Intelligenz, sorgen dafür, dass die Ergebnisse mit der Zeit immer besser werden – menschenähnlicher könnte man sagen.